Nun hat aber die Entwicklung der Menschheit eine Richtung eingeschlagen, die seine Individualität erhöht, ihn zum vermeintlichen Herrscher über seine Umwelt macht, scheinbar unabhängig von den Gesetzen der Natur: Europa ist aus Sicht eines Astronauten auch nachts hell erleuchtet, wir arbeiten im Schichtdienst und werden im Schlaf von E-Mails aus anderen Zeitzonen geweckt.
Unser Körper beantwortet dies mit Stressfolgeerkrankungen und Schlafstörungen, denn er ist – um zu funktionieren – auf den Abgleich aller inneren und äußeren Rhythmen angewiesen. Unsere innere übergeordnete Instanz ist die Zirbeldrüse (Epiphyse). Diese kleine Drüse in unserem Gehirn ist verbunden mit der Netzhaut unserer Augen und reagiert auf Licht und damit auf die Rhythmen von Tag und Nacht. Sie produziert in der Dunkelheit der Nacht, und nur dann, das Hormon Melatonin, das den Schlaf-Wach-Rhythmus reguliert und tiefgreifende Wirkungen auf diverse Zellfunktionen und das Immunsystem besitzt.
Dieses Wissen um die Physiologie des Menschen kann uns wesentlich dabei unterstützen, eine gesunde Schlafhygiene zu entwickeln. Wir können lernen im Schlafzimmer für Dunkelheit zu sorgen, damit unser Körper ausreichend Melatonin produzieren kann. Wir können lernen kein helles Licht einzuschalten wenn wir nachts aufwachen. Wir können ebenso lernen, dass es um aufzuwachen besonders viel Sinn machen würde, morgens eine halbe Stunde im hellen Tageslicht zu verbringen, denn auch bei Bewölkung ist es im Freien sehr viel heller als in geschlossenen Räumen, auch wenn wir dies nicht so wahrnehmen.
Vielen Menschen ist mittlerweile bewusst, dass sich allabendliches Sitzen vor PC oder TV aufgrund der ungünstigen Wirkung von Kunstlicht negativ auf ihre Schlafqualität auswirken kann.
Die Melatonin-Produktion wird aber auch durch elektromagnetische Felder unterdrückt. Wir sollten also vor dem Zubettgehen möglichst alle elektronischen Geräte – insbesondere WLan, Handy und Schnurlostelefon – ausschalten. Elektromagnetische Felder führen zu einer durchlässigeren Blut-Hirn-Schranke, die das zentrale Nervensystem vor toxischen Substanzen schützen sollte.
Zugleich bieten Rituale seit Anbeginn der Menschheit eine Möglichkeit, das Entrainment biologischer und äußerer Rhythmen zu institutionalisieren: Gewohnheiten wie eine schlaffördernde Tasse Tee vor dem Zubettgehen, ein entspannendes Vollbad, Zähneputzen, Auskleiden oder bewusstes Reflektieren über die positiven Ereignisse des Tages signalisieren dem Unbewussten Geborgenheit und Sicherheit: Eine notwendige Voraussetzung, dass sich das vegetative Nervensystem in den Ruhe- und Erholungsmodus begeben kann indem der Entspannungsnerv Parasympathikus hoch- und der Leistungsnerv Sympathikus herunterfährt.
Auch regelmäßige Aufsteh- und Schlafenszeiten sind als „Rituale“ zu verstehen. Insbesondere das Aufstehen zur immer gleichen Zeit hilft in der Synchronisation/Kopplung unserer inneren Rhythmen mit den äußeren Taktgebern.
Oftmals wird als Selbsttherapie bei Einschlafstörungen zu vermeintlich sedierenden Substanzen wie Alkohol gegriffen. Tatsächlich scheint der Schlaf nach dem Konsum von Genussmitteln dieser Art ja rascher einzutreten. Doch leider kann Alkohol – häufig schon in sehr geringen Mengen – trotz Durchschlafens sowohl die Schlafarchitektur als auch die Schlafqualität negativ beeinflussen und so mittelfristig eine chronische psychovegetative Erschöpfung nach sich ziehen.
Mit stimulierenden Substanzen wie Kaffee, schwarzem und grünen Tee sowie Nikotin verhält es sich nicht anders: sie sollten vor dem Zubettgehen gemieden werden, denn sie wirken (mit geringfügigen individuellen Unterschieden) noch bis zu 12 Stunden nach Genuss anregend.
Aus der kognitiven Therapie wissen wir, welche Bedeutung Einstellungen, Gedanken, Bewertungen und Überzeugungen haben und, dass die Art und Weise wie wir denken bestimmt, wie wir uns fühlen und verhalten und wie wir körperlich reagieren. Daraus abgleitet sind im Bett nur zwei Dinge erlaubt: Liebe machen und Schlafen. Alle anderen Tätigkeiten wie Telefonieren, Naschen, Fernsehen oder Streiten haben im Bett nichts zu suchen. Auch der nächtliche Blick auf die Uhr sollte vermieden werden, denn er löst unweigerlich Anspannung aus. Problemlösungen sollten angestrengt werden, wenn wir uns ausgeschlafen und leistungsstark fühlen, denn auch unser Gehirn ist abends müde und kann keine Bestleistungen hinsichtlich (kreativer) Problembewältigung mehr vollbringen.
Wer zum Einschlafen gerne liest, sollte in der Wahl der Bettlektüre positive und erbauliche Literatur geistig (über)fordernder oder emotional aufwühlender Literatur vorziehen.
Auch äußere Einflüsse wie die Einrichtung des Schlafzimmers, die Qualität von Matratze oder Kopfkissen, ausreichende Luftbefeuchtung etc. können die Schlafqualität erheblich fördern. Untersuchungen haben gezeigt, dass eine Ausrichtung des Körpers von Nord nach Süd (Erd-Magnetfeld) zu besserer Tiefschlafqualität führt.
Das Leben findet zwischen den Polaritäten Aktivität und Ruhe, Anspannung und Entspannung statt. Der Tag sollte demnach aktiv gestaltet werden, neben Beruf sollte Zeit für Hobbies, körperliche Tätigkeiten und Bewegung bleiben.
Der Abend – insbesondere die Stunden vor dem Zubettgehen – sollte als eine zeitliche „Schutzzone“ vor den Aufregungen, An- und Herausforderungen des Tages verstanden werden.
Der Mittagsschlaf als regenerative Pause tagsüber ist nur dann gesundheitsförderlich, wenn er nicht länger als 20 Minuten dauert. Darüber hinaus ist Powernapping eine oft unerkannte Gefahr für den Nachtschlaf. Ebenso gefährlich ist das Dösen vor dem Fernseher, schon wenige Minuten können später zu Einschlafstörungen führen.